In
Halle tritt die Bundeswehr gerne auf: In den letzten Jahren war sie
stets beim Laternenfest zugegeben, auch auf anderen Stadtfesten durfte
und darf sie weiterhin nicht fehlen. Zu sehen gab es am Stand des
nationalen Militärs meist einen vermeintlich informativen Truck, ein bei
Kindern durchaus beliebtes Trampolin [1], sowie Waffen und gepanzerte
Fahrzeuge zum neugierigen Vergnügen. Ziel der ganzen Aktionen ist es,
die Besucher*innen so früh wie möglich hierhin zu locken, also zum
halleschen "Karrierebüro" der Bundeswehr, denn hier kann man
herausfinden, wie man sich zum jahrelangem Dienst an der Waffe
verpflichten kann. Wie der Name "Karrierebüro" bereits suggeriert, wird
mit den angeblichen Vorteilen dieser Verpflichtung auch nicht hinter dem
Berg gehalten: Bei der Bundeswehr gibt es die vom Neoliberalismus und
der daraus resultierenden Perspektivlosigkeit vernichteten
Aufstiegsmöglichkeiten noch, es gibt dort einen sicheren Job mit guter
Bezahlung und festen Strukturen - so wird man es den Interessent*innen
zumindest erklären. Für diejenigen, die nicht bereit sind, ein rein
materielles Verhältnis zu ihrem eigentlich gehassten Job einzugehen,
gibt es als Bonus noch die Behauptung, dass die Bundeswehr eine
Arbeitgeberin sei, die die Angestellten an ihre Grenzen bringt und ihnen
durch Zwang, Überforderung und Disziplinierung ermöglicht zu wachsen.
So wird die Ausbildung bei der Armee zur rustikalsten Form der
Selbstoptimierung.
Außerdem
wirbt die Bundeswehr, die sonst behauptet keine „Rambos“ haben zu
wollen und eigentlich "familienfreundlich" und gleichstellungspolitisch
auf der Höhe zu sein, mit der perfekten Atmosphäre für jeden
Macker-Typus. So geht es in den Werbesprüchen und -videos darum, dass
die Militär-Karren viel mehr PS hätten und man bei der Marine sehr gut
rumballern kann. Dazu gibt es den ziemlich kitschigen Hinweis auf "echte
Kameradschaft" und die Ehrenhaftigkeit und Härte, die man im Dienst
beweisen würde - die Werbeoffizier*innen bedienen also das nicht
aussterben wollende Klischee des 1000x totgeglaubten Männerfilms.
Nach
all' dem Geld und Mackertum wird für die immer noch Unentschlossenen
endlich auch die Moral aufgeboten. Ähnlich wie in moralisierenden
Sonntagsreden der Bundespolitiker*innen, führt die deutsche Armee an,
dass sie doch für Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit stünde.
Als hätte es die Kunduz-Affäre, bei der ca. 150 afghanische
Zivilist*innen ihr Leben lassen mussten, nie gegeben und als wäre nicht
deutlich geworden, dass die letzten Einsätze der Bundeswehr ihre Ziele
stets verfehlt haben, wird die angeblich fortschrittliche Agenda in den
Raum gestellt. Somit wird es fast zum moralischen Gebot endlich die
Waffe in die Hand zu nehmen. Dass das wenige glauben und noch weniger
überzeugt, zeigt aber schon die Tatsache, dass solche altruistischen
Elemente nur einen kleineren Teil der Werbekampagne einnehmen - Geld,
Selbstoptimierung und Mackertum werden zu Recht als deutlich
zugkräftiger eingeschätzt.
Dass
liegt hauptsächlich daran, dass eben Marketing betrieben wird: Da ein
Personalproblem vorliegt und kaum jemand Bock auf Tarnfarbe hat, müssen
die erfolgsversprechenden Gruppen intensiver angesprochen werden. Dass
sind nach der richtigen Analyse der Armee vor allem Menschen, für die es
ökonomisch Sinn macht, sich über Jahre zu verpflichten (bezahltes
Studium, Ausbildung bis zum Meister, Sicherheit im Job &
Aufstiegschancen) und darüber hinaus Menschen, deren Wertesystem ein
Engagement dort sinnvoll macht, da es Ehre, Stärke, Herumballern und
Kameradschaft impliziert. Zwischen Menschen, die keine Wahl zu haben
glauben und solchen, die sich ohnehin zum Militarismus hingezogen
fühlen, muss sich Bundeswehr, inzwischen bekanntlich ohne Wehrpflicht,
also immer wieder Nachwuchs heraussuchen.
Die
Tatsache, dass die genannten altruistischen Motive nur bedingt eine
Rolle spielen, sorgt dafür, dass die Enttäuschung bei den neuen
Rekrut*innen am Ende geringer ausfällt. Denn nach einer konkreteren
Beschäftigung mit den Inhalten und Tätigkeiten einer nationalstaatlichen
Armee würde auffallen, dass die Bundeswehr Frieden, Freiheit und
Demokratie sicherlich nicht beschützt und auch zur Sicherheit ein eher
gespaltenes Verhältnis hat. Wie im aktuellen Weißbuch der Bundeswehr von
2016 ohne Probleme zugegeben wird, sieht sich die Bundeswehr vor allem
der Sicherung der bestehenden internationalen Ordnung verpflichtet, wozu
der freie Zugang zu den globalen Märkten - also Export und Import für
das deutsche Kapital - genauso gehört, wie die Zusammenarbeit mit
diktatorischen Regimen wie dem NATO-Partnerland Türkei. Auch der
Bundespräsident Gauck, der ja mehr Verantwortung und deutsche Werte in
der Welt fordert, argumentiert ohne den Widerspruch zu erkennen damit,
dass die Weltordnung beschützt werden müsse, weil Deutschland immens von
ihr profitiere. Deshalb kann es unter Umständen durchaus sein, dass
deutsche Truppen auf der richtigen Seite, also der von Freiheit, Frieden
und Demokratie, kämpfen, denn die bestehenden Einsätze gegen den
massenmordenden "Islamischen Staat" können an sich nicht schlecht sein.
Aber es ist niemals das primäre Ziel der Bundeswehr, sondern immer nur
Nebeneffekt.
Das
zeigt sich auch deutlich am Beispiel Afghanistan: Im von Deutschland
verwalteten Bereich konnte die afghanische Zivilbevölkerung zweifelsohne
freier Leben als unter den Taliban. Das hinderte die Bundeswehr aber
nicht daran, hunderte zivile Opfer zu verursachen. An der
"Kunduz-Affäre" von 2009, also der Tötung von ca. 150 afghanischen
Zivilist*innen durch einen deutschen Offizier [2], sieht man wohin die
nationale Logik beim Militär führt: Lieber tötete man hunderte „Fremde“
als auch nur einen der „eigenen Soldaten“ zu gefährden. Und als sich der
Taliban-Siegeszug abzeichnete und keine Stabilisierung einkehrte, hatte
man auf deutscher Seite nichts Besseres zu tun, als zunehmend für
Bündnisse mit lokalen Warlords und Islamisten zu werben und sich dann
zurückzuziehen. Die afghanischen Zivilist*innen, die für die Deutschen
gearbeitet hatten, wurden teilweise zurückgelassen und heute bestreitet
die Bundesrepublik einfach, dass es in Afghanistan Krieg und damit einen
legitimen Fluchtgrund gäbe, obwohl man selbst aus dem Krieg geflohen
ist. Hier sieht man gut, was vermeintlich humanitäre Einsätze wirklich
sind: Der deutsche Staat formuliert hier Ziele, wie den Erhalt der
gewinnbringenden internationalen Ordnung und den Fortbestand der guten
Beziehungen zu den USA und greift deshalb irgendwo ein und haut wieder
ab, wenn es nicht funktioniert. Die dortige Bevölkerung ist dabei
ziemlich egal, die möchte man vor allem nicht in Deutschland haben, aber
während des Einsatzes als möglichst stille Kriegsopfer und
Helfer*innen, an denen die nach dem Abzug übrig bleibenden Kräfte ein
Exempel statuieren können.
Auch
wenn dies den Akteur*innen sehr oft eher peinlich ist und die
rücksichtslos durchgesetzten deutschen Interessen auf vielen
Werbeplakaten gar nicht vorkommen, zeigen sie sich doch immer wieder:
Der neue Slogan „Wir.Dienen.Deutschland“ macht schon ziemlich deutlich,
wohin die Reise geht, zwar um die Welt, aber immer für den deutschen
Staat und seine wirtschaftlich bestimmten Interessen. Dazu passt, dass
man nach den Olympischen Spielen mit dem guten Abschneiden der deutschen
„Sportsoldat*innen“ warb, die etliche Medaillen „für Deutschland“
gewonnen hätte. Allein die Existenz dieser speziellen Soldat*innen
beweist, dass es eben um die Nation geht – denn wird irgendein Ort auf
der Welt sicherer davon, dass die Medaillen an die olympische Auswahl
aus Deutschland und nicht an irgendein anderes Team, welches sich
sicherlich auch darüber freut, gehen? Nein, auch hier geht es um
Interessen, dieses Mal im Sinne von nationalem Ruhm. Für die
Rekrutierung bedeutet das auch nichts Gutes, denn neben den genannten
werden damit zusätzlich überzeugte Nationalist*innen geworben [3], die
den Sinn der Bundeswehr zwar durchschaut haben, ihn aber aufgrund ihrer
Ideologie nicht ablehnen.
Aber
auch diejenigen, die sich nicht für die falschen Werte oder die Nation,
sondern wie angesprochen für einen sicheren Job oder Action und Spaß am
Arbeitsplatz interessieren, werden von ihrer Verpflichtung enttäuscht
werden. Wenn die Bundeswehr davon spricht, dass man bei ihr an
seine*ihre Grenzen gehen, sein*ihr Limit erleben und tolles Gerät
herumfahren kann, verschweigt sie, dass die Panzerwagen einen Sinn
haben. Denn die Chance im Einsatz getötet oder verwundet zu werden,
töten zu müssen und in der Ausbildung von Vorgesetzten fertig gemacht zu
werden, ist hoch und gehört zum Alltagsgeschäft einer Armee. Wer dort
eintritt, verpflichtet sich auf Jahre zu Befehl und Gehorsam und zu
einer Kameradschaft, die im Gegensatz zur Freundschaft nicht freiwillig
gewählt werden kann. Im alltäglichen Kollektivismus der Truppe kommt es
daher immer wieder zu Unterdrückung, Mobbing-Fällen und besonders
rassistischer und sexistischer Anfeindung. Und auch wer seine Ausbildung
erfolgreich hinter sich bringt und der Kameradschaft genauso etwas
abgewinnen kann, wie dem Sterben und Töten auf Befehl, leidet nicht
selten nach dem ersten, vielleicht aber auch erst nach dem dritten oder
vierten, Auslandseinsatz an einer Post-Traumatischen Belastungsstörung
(PTBS) für die es dann weder Verständnis, noch ausreichend
Therapieplätze gibt.
Als
Linksjugend Halle können wir deshalb nur unsere Ablehnung gegenüber der
Bundeswehr und den Orten ihrer Rekrutierung kundtun und nutzen dafür
den 1. September, den internationalen Weltfriedenstag. Allerdings machen
wir uns dabei nicht gemein mit denjenigen, die Waffengewalt, auch
gegenüber dem gewollten und angekündigten Massenmord, weiterhin für
grundsätzlich falsch halten. Wir sind keine Pazifist*innen, denn für uns
sind notwendige Kriege denkbar – wie der Einsatz der Alliierten gegen
das nationalsozialistische Deutschland einer war. Dass ändert aber
nichts daran, dass wir die Bundeswehr in ihrer jetzigen Ausrichtung und
als Armee deutscher Interessen ablehnen. Sie hat die Verhinderung der
Mordtaten des Islamischen Staates oder des Diktators Assad genauso wenig
zum eigentlichen Ziel, wie sie die Verbreitung von Demokratie fördert.
Vielmehr versucht sie nach dem Ende Wehrpflicht, also seitdem sie
Menschen nicht mehr zum temporären Mitmachen zwingen kann, noch
intensiver Menschen mit den falschen Gründen dafür zu gewinnen, sich zum
Kanonenfutter für diese Interessen machen zu lassen. Wir stellen
darüber hinaus fest, dass sich mit dem neuen Diskurs um die größere
Rolle Deutschlands in der Welt und der bestehenden Aufrüstung keine
Verbesserung zu erwarten ist. Das deutsche Militär wird jede
„humanitäre“ Mission jederzeit über Bord werfen, wenn es stattdessen
Handelswege zu verteidigen gibt und man feststellt, dass die
Partnerschaft zu dieser und jener Diktatur doch ganz wertvoll sein kann,
wie es im Rahmen der Türkei-Politik gerade passiert.
[1] Dass die Bundeswehr kindgerecht wirbt, gehört eben zur Geschäftspraxis, wie das Bundeswehr Bravo Camp auf Sardinien zeigte: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/bravo-bundeswehr-werbung-fuer-aventure-camp-auf-sardinien-a-985112.html
Dass lässt sich auch damit erklären, dass man gar nicht mehr so lange
warten muss, um aus Kindern Soldat*innen zu machen, denn die Bundeswehr
rekrutiert auch gerne unter-18-Jährige: http://www.welt.de/politik/deutschland/article152417620/Sind-Minderjaehrige-bei-der-Bundeswehr-Kindersoldaten.html
[2]
Die Tatsache, dass der Offizier nicht etwas sanktioniert, sondern eben
befördert wurde und nun den stolzen Titel „Brigadegeneral“ tragen darf,
kann nicht oft genug betont werden: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-oberst-georg-klein-zum-brigadegeneral-befoerdert-a-892278.html
[3]
Dass es unter denjenigen, die die Nation verherrlichen, hohe
Schnittmengen zu den klassischen Mackern gibt, scheint logisch. Beide
weisen autoritär strukturierte Persönlichkeitselemete auf.
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