Sonntag, 8. Mai 2016

Der Tag der Befreiung und die Abgründe des deutschen Staatsantifaschismus

Der 8. Mai ist wie kein anderer Tag das Symbol des staatlichen Antifaschismus. Während der Tag der Befreiung, an dem die bedingungslose Kapitulation vom letzten Teil der Wehrmacht unterzeichnet wurde, in einigen Ländern als Feiertag oder offizieller Gedenktag begangen wird, begnügt man sich in der Bundesrepublik damit, aller 5 Jahre eine große Gedenkveranstaltung im Reichstag abzuhalten.

Bei dieser werden stets herzerwärmende Reden gehalten, die die vielbeschworene dunkle Zeit leicht bekömmlich einkleiden. Dazu noch ein paar Worte zu den Lehren aus der eigenen Vergangenheit sowie zur aktuellen politischen Lage - und fertig ist die Festrede. Am stärksten in der bundesdeutschen Erinnerung ist wohl die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1985 verankert, in der er vom "Tag der Befreiung" sprach. Diese Phrase sollte die vorherige Lesart der Kapitulation als Schmach ablösen.

Vor genau einem Jahr wurde der 70. Jahrestag begangen und Heinrich August Winkler, einer der angesehensten deutschen Historiker, nutzte die Chance, um in atemberaubender - aber wohl unfreiwilliger - Weise den deutschen Staatsantifaschismus samt der deutschen Läuterung vorzuführen. Seine Rede ist beispielhaft für den grotesken Umgang mit der NS-Vergangenheit. Uns jedenfalls hat diese mehr Spaß bereitet als es das Wedeln mit den Fahnen der Alliierten je tun könnte.

Man kann es getrost vorwegnehmen: Die Deutschen kommen wieder einmal nicht allzu schlecht weg. Winkler möchte natürlich niemandem die Möglichkeit nehmen, sich moralisch gut zu fühlen. Dafür muss man noch nicht einmal den eigenen Kopf anstrengen, sondern es reicht, sich nach den Geboten zu richten, die er von seinem Rednerpult herabreicht. Er kann sich wohl nichts schöneres vorstellen als ein Deutschland, das sich mittels kollektiver Befolgung der von ihm aufgestellten Regeln in einem ständigen Prozess selbst reinigt und seinen Weltmeistertitel im "Lehren aus der Geschichte ziehen" stolz behauptet.