Sonntag, 11. Januar 2015

Ein Erfahrungsbericht zum Tag der offenen Tür am 10.01.2015 in einer Asylunterkunft in Halles Rubinienweg

(Die Ereignisse der letzten Monate haben das Rassismusproblem in unserer Stadt verschiedentlich deutlich gemacht. Neue Ausbrüche sind in diesem Jahr leider zu erwarten. Vielleicht weniger gegen Roma in der Silberhöhe, sondern gegen Refugees, die auf der Flucht nach Halle kommen. Deshalb war es der Linksjugend ['solid] Halle ein besonderes Anliegen beim Tag der offenen Tür in den neuen Räumlichkeiten zur Unterbringung von Flüchtlingen im Rubinienweg anwesend zu sein. Dies ist ein Erfahrungsbericht:)
Am gestrigen Samstagvormittag lud der Wohnungseigentümer eines Mietshauses im Rubinienweg in Halle zum Tag der offenen Tür ein. Hier sollte Anwohner*innen und Interessierten die Möglichkeit gegeben werden, sich die neuen Unterbringungen für Flüchtlinge in diesem Objekt anzusehen und etwaige Fragen zu stellen.
Vor Ort waren neben dem Vermieter, auch Vertreter der Stadtverwaltung, wie der Sozialdezernent, der Leiter des Sozialamtes und die Migrationsbeauftragte der Stadt Halle. Sie bemühten sich den interessierten Bürger*innen, die gekommen waren, Rede und Antwort auf ihre Fragen zu stehen und taten dies nach besten Kräften ausführlich, ruhig und sachlich.
Jedoch sollte es nicht bei einer ruhigen Informationsveranstaltung bleiben. Schon ab zehn Uhr, zu Beginn des Tags der offenen Tür, versammelte sich eine größere Menschenmenge um den Sozialdezernent und belagerte ihn mit Suggestivfragen und wüsten Beschimpfungen.
Den Vertretern der Stadt wurde unterstellt, dass sie nicht umfangreich informieren würden und aus reiner Willkür die Flüchtlinge in der  Nähe der Silberhöhe unterbringen würden.
Es waren sowohl klassische Ängste vertreten wie, dass "die Asylanten [sic] nur Lärm machen", doch wohl "die Kriminalität zunehmen" oder "der allgemeine soziale Friede durch die Asylanten [sic] gestört werden würde". Jeder Form von Relativierung dieser Aussagen oder verständliche Gegenargumente waren dem größten Teil des sich formierten Mobs nicht verständlich zu machen. Diese waren zum Teil nur vor Ort, um Aussagen à la "Ich bin ja kein Nazi, aber ..." zu tätigen.
Argumente von Seiten der Verwaltung, dass u. a.  die Asylbewerber*innen nicht länger als maximal 6 Monate jeweils dort verweilen würden und dann dezentral untergebracht werden sollen, oder dass von dem Geld, welches der Vermieter bekommt, weitaus mehr bezahlt werden muss, als nur die Wohnungen (z. B. auch 2 Sozialarbeiter*innen, Sicherheitsschutz, Instanthaltung, Sanierung und Ausstattung), wurden einfach übergangen und es wurde sich weiter in Rage geredet.
Auftrieb bekam die ganze Auseinandersetzung, als rund 20 in schwarz gehüllte Gestalten von der sogenannten "Brigade Halle" gegen 10:15 Uhr dazu stießen. Sie skandierten laut Aussagen, wie "Die sollen gefälligst dahin zurückgehen, wo sie herkommen sind" und "dieser Zustand ist eine Schande für Deutschland".
Auch bei der Begehung einiger der Wohnungen in dem Objekt vor Ort waren ständig Aussagen zu hören wie, dass es Flüchtlingen hier viel zu gut ginge und die eigene Bevölkerung "vernachlässigt" würde. Dies wurde dann z. B. damit belegt, dass sich Duschen in den Wohnungen befänden. Hier schien wohl einiger Besuch der Ansicht gewesen zu sein, dass eine Dusche in einer Wohnung in Deutschland schon ein hochluxuriöser Einrichtungsgegenstand sei.
Leider sind weder solch eine Atmosphäre noch diese Aussagen überraschend, man sie ernst nehmen, denn sie sind am Ende ein Symptom mangelnder Kenntnis, Reflexion und der eigenen Unzufriedenheit.
Wirklich gefährlich und für die Zukunft nachdenklich stimmend, wurde die Situation vor Ort, als einige Mitglieder der "Brigade" anfingen, Risszeichnung des Objektes anzufertigen und genau die Wohnungen eintrugen, in denen zukünftig Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Kurz bevor die "Brigade" dann gegen 11 Uhr wieder verschwand, sagten einige ihrer Anhänger nur noch "auch hier wird es bald brennen".
Dazu sagt Jan Rötzschke von der Linksjugend ['solid] Halle: "Genau an diesem Punkt wird deutlich, wie stark unterschwelliger aber auch brodelnder Rassismus in unserer Gesellschaft verbreitet ist. Kaum einer der "besorgten Bürger" vor Ort hat sich darum gesorgt, dass es zu kriminellen Handlungen, bis hin zu potenziell tödlichen Anschlägen von Rechts in Halle in naher Zukunft kommen könnte, sondern in der Hauptsache nur darüber, dass das eigene Leben durch vermeintlich "störende Asylanten" beeinträchtigt werden wird.
Wir haben in diesem Land nicht in erster Linie ein Asylproblem, sondern ein Mentalitätsproblem."

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