Stimmt, niemand formuliert die Absicht, denn 
dieser Überwachungsstaat existiert ja schon längst. Jetzt geht es 
Politik und Geheimdiensten nur noch darum, ihn stetig auszubauen und 
technisch up-to-date zu bleiben. Das Bekanntwerden der britischen und 
amerikanischen Spionageoperationen Tempora bzw. PRISM, die
 das weltweite Datennetz betreffen sollen, offenbart wahrscheinlich nur 
die Spitze eines gigantischen Eisberges. Regierungen, die ihrer 
Bevölkerung nicht über den Weg trauen und gern alles über sie erfahren 
möchten, jeden kleinsten Lebensbereich ausspähen, um uns vorgeblich vor 
„Terrorismus“ zu schützen, entfernen sich immer mehr von den Werten der 
Aufklärung und den in den letzten dreihundert Jahren erkämpften 
demokratischen Grundrechten. Dabei müssen wir uns fragen, ob nicht 
Benjamin Franklins Worte: „Diejenigen, die bereit sind grundlegende 
Freiheiten aufzugeben, um ein wenig kurzfristige Sicherheit zu erlangen,
 verdienen weder Freiheit noch Sicherheit“ für uns alle gelten.
Kein   #Aufschrei,
 keine Empörung - ach Moment, es ist ja nicht "unsere" Regierung, die 
uns ausspioniert, das sind ja die Amerikaner*innen und Brit*innen, die 
unser aller Internetkommunikation mitlesen, speichern, auswerten, 
vielleicht auch irgendwann gegen uns verwenden - also doch alles weniger
 unser Problem, wir können ja eh nichts machen?
Weit gefehlt. Zum einen kann und muss die 
Bundesregierung dazu gebracht werden, entschieden gegen die weltweite 
Spionage durch Geheimdienste anderer Staaten vorzugehen - wenn diese 
Regierung das nicht zu leisten im Stande ist, braucht es eine neue. Zum 
anderen muss aufgeklärt werden, inwieweit deutsche Geheimdienste (wie 
Verfassungsschutz und BND) von abgeschöpften Informationen profitiert 
haben und dann müssen sich diejenigen, die Grundrechte mit Füßen 
getreten haben und immer noch treten, entsprechend verantworten.
In dieser Situation fordert nun Holger Stahlknecht,
 seines Zeichens Innenminister von Sachsen-Anhalt, nicht genau das, 
sondern will mit einem zum „Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von 
telekommunikations- und telemedienrechtlichen Bestandsdaten“ adäquaten 
Landesgesetz Geheimdiensten (insbesondere gilt das für den 
Verfassungsschutz) und Polizei noch mehr Vollmachten zur Spionage
 geben. Nachdem schon der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur 
"Bestandsdatenauskunft" verabschiedet hat, will nun der Innenminister 
das Ausforschen der persönlichen Daten von Bürgerinnen und Bürgern in 
Sachsen-Anhalt legalisieren, was sich nahtlos an andere 
Law-and-Order-Gesetze, wie das neue Polizeigesetz, anfügt. Allem 
Anschein nach entwickeln sich die Dinge immer mehr hin zu einer 
dystopischen Postdemokratie nach Orwell'schem Vorbild, wenn wir unsere 
Bürger*innen- und Freiheitsrechte nicht endlich vehement verteidigen.
Kein Mensch würde seine Urlaubsfotos, Briefe oder 
sein Tagebuch freiwillig an irgendwelche fremden Personen schicken und 
trotzdem landen vermutlich alle E-Mails, digitalen Fotos und 
Terminkalender irgendwo – wo wissen wir zwar nicht genau, aber es diene 
ja unserer Sicherheit. "Wer nichts zu verbergen hat, hat ja auch nichts 
zu befürchten" ist die gängige Losung derer, die damit kein Problem 
haben. Doch was ist mit Edward Snowden, der, weil er nicht mehr länger verbergen
 wollte, was die NSA so alles im Schilde führt, nun vom FBI gesucht wird
 und für 30 Jahre hinter Gitter soll? Jede*r sollte einen Staat 
fürchten, der alles wissen will, denn erstens geht es ihn einfach nichts
 an, was die Menschen denken, schreiben und fotografieren und zweitens 
kann alles irgendwann einmal gegen die nun "gläserne" Person verwendet 
werden.
Fakt ist: es ist unser Leben und nur wir sollten darüber entscheiden,
 was zugänglich und öffentlich gemacht wird. Im Moment tun das aber eher
 Leute wie der umtriebige Rainer Wendt (DPolG), der Obama für seine 
Spionage auch noch lobt: „Präsident Barack Obama argumentiert mutig, 
entschlossen und er hat fachlich hundertprozentig recht“, da das 
„wertvollste“ Bürger*innenrecht immer noch der "Schutz vor Terror und 
Kriminalität" sei. Wenn hier ein Gewerkschafter und Polizist glaubt, 
Bürger*innenrechte gegeneinander ausspielen zu können, sollte man ihn 
vielleicht mal auf seine Verfassungstreue überprüfen oder vom 
"Verfassungsschutz" als mutmaßlichen "Extremisten" überwachen lassen.
 

